Wie der Brief, das Telefon und das Mobiltelefon macht auch das Internet vor allen Dingen eines: seinen eigenen Bedarf schaffen. Die »alten Medien« sind nur deswegen und nur dann in der Krise, wenn sie den Anschluss verlieren, indem sie im Internet keinen Platz finden. Wer überleben will muss da rein. Dafür muss man sich selbst oder das Internet so verändern, dass man reinpasst.

Bücher passen nicht rein. Man kann sie abfotografieren und bei Facebook posten, oder Rezensionen auf GoodReads schreiben und immer gleich alles angeben, was man gelesen hat, oder das Buch ganz aufgeben und sich einen E-Book-Reader kaufen. Das ist nett, aber trifft nicht ganz den Punkt. Das Bücherregal, als das, was es ist – Einrichtungsgegenstand, Projektionsfläche und Ausstellungsraum des Selbstbildnisses, sich ständig verändernder Platz einer individualisierten Auswahl und Ordnung – hat im Internet noch keinen Platz gefunden.
BookTag ist ein winziger und kostengünstig produzierter Chip, den Verlage unsichtbar in ihre Bücher einbauen lassen können und der alle Informationen über das Werk enthält, in dem er sitzt. Ikea und Konsorten werden dafür sorgen müssen, dass ihre Regale das entsprechende Lesegerät enthalten und eine drahtlose Verbindung zum Computer. Wer unbedingt will, kann BookTags für seine alten Schmöker kaufen und nachrüsten, aber das kostet.
BookTag wird seine Entsprechung im Web schnell finden. Ich kaufe mir ein Buch, sagen wir von Deleuze, stelle es zu Hause in mein Regal und schon wird meinen Freunden bei Facebook und Twitter und Goodreads angezeigt, dass ich jetzt Deleuze lese – schlauer Kerl. Bei Amazon und allen Antiquariate auf booklooker, die was auf sich halten und ihre Bücher getaggt haben, springen die Empfehlungs-Algorithmen an und markieren mich als Philosophie-affin. Meine Zitations- und Bibliographiesoftware kennt Erscheinungsort und -datum und kann mir, wenn ich Deleuze zitiere, gleich empfehlen, welche Sekundärliteratur ich noch lesen muss. Nehme ich das Buch wieder heraus und gebe es weg (d.h. es wird in das Regal eines anderen gestellt), verschwindet es aus meiner Bibliothek und erscheint in einer anderen. Wenn ich ein Buch gebraucht kaufe, sehe ich gleich, wer es vorher hatte – auch schlechte Bücher sind teuer, wenn sie mal Jürgen Habermas gehört haben. Jedes Buch hat eine Seriennummer, die frühen sind vielleicht mal viel Wert. Bibliophile Ausgaben prahlen mit ihrer geringen Auflage, Massenware prahlt mit ihrer hohen Auflage.
Natürlich werden jede Menge Daten generiert, die der Markt nutzen kann: Welche Bücher verlassen die Regale besonders häufig, um gelesen zu werden und welche stehen nur da? Welches Buch steht am häufigsten neben welchem anderen Buch? Welcher Stadtteil hat welche Bücher im Regal stehen?
Wer online mit seinen Büchern angeben will, muss welche kaufen. Wer alte Bücher hat, die nicht getaggt sind, muss sich neue kaufen (das nutzt den Verlagen) oder sich BookTags besorgen (das nutzt BookTag). Klare Sache, dass BookTags nicht so einfach zu fälschen sind. Wer drin ist, überlebt und Bücherregale sind jetzt drin.